Am besten läuft, was schon gelaufen ist


Das Saarland braucht keine neue Hallen: Gespräch mit KulTour-Chef Hasso Müller-Kittnau

Er macht Kultur für 66000 Saarländer pro Jahr. Aber Hasso Müller-Kittnaus Saarbrücker KulTour –Veranstaltungs-GmbH bekommt keine müde Mark vom Staat.

Das Kultur-Profil des gemeinen Saarländers harrt immer noch der ultimativen Erforschung. Gleichwohl der Satz gilt: An seinen (KulTour)-Vorlieben sollt ihr ihn erkennen, also an der Nachfrage auf dem freien Kultur-Veranstaltungs-Markt, weniger am staatlich subventionierten Kultur-Angebot im Land. Insofern ist Hasso Müller-Kittnau (48), der Chef der wohl größten saarländischen Ku1tur-Veranstaltungs-Agentur, der KulTour GmbH, für dieses Themengebiet genau der richtige Gesprächspartner in der Redaktionsrunde der „Saarbrücker Zeitung“. Müller-Kittnaus Anfänger-Frust über leere Säle bei Weltstars wie Peter Schreier und Igor Oistrach liegt nun schon weit hinter ihm. So weit wie der Beglückungs-Eifer eines engagierten Linken, eines gelernten Buchhändlers und Klassik-Kenners, der jetzt in Pragmatik und Geschäftssinn macht. Müller-Kittnaus Kulturkunde kriegt, was er will. Das sind momentan vornehmlich Musicals und Operetten, Hauptveranstaltungs-Orte: Congress- und Saarlandhalle. Wobei gilt: Bekannte Titel ziehen, und am besten läuft, was bereits gelaufen ist. So sind sie also die Saarländer: risikoscheu und unterhaltungsselig? Die 26 Aufführungen des „Phantoms der Oper“ sahen bislang 65000 Saarländer, auch Freddy kann jedes Jahr wieder kommen, und der „Zigeunerbaron“ schlägt das „Weiße Rössl“ wohl nur deshalb aus dem Rennen, weil letzteres im Saarland weniger häufig gezeigt wurde. „Man ist hier nicht neugierig auf Neues“, bilanziert Müller-Kittnau. Das Nie-Dagewesene sei „unheimlich schwer zu verkaufen“. Zum Verzweifeln? „Man stellt sich drauf ein.“ Was bedeutet, auf Mundpropaganda zu setzen und deshalb beim Einkauf auf Qualität zu achten. Möglichst viele Produktionen schaut sich Kittnau deshalb vorab an, ansonsten vertraut er guten Erfahrungen und der eigenen Konsequenz. „Ausrutscher gibt’s nur einmal.“ Der Produzent eines „Vogelhändlers“, der lächerliche 14 Musiker in den Graben schickte, war sofort für immer ausgelistet. Radikalität, die sich auszahlt: Im Jahr 2001 darf Müller-Kittnau mit einer Umsatzsteigerung von 30 Prozent auf knappe vier Millionen Mark rechnen, 18 Beschäftigte hat die Firma. Der 11. September jedoch markiere eine Zäsur, erzählt Müller-Kittnau, einen Nachfrage-Einbruch. Trotzdem hört man kein Klagen von ihm. Vernimmt vielmehr unternehmer-untypische Selbstbescheidungstöne: „Wir haben unsere Marktnische gefunden, wir sind zufrieden.“ Ist das Agenturgeschäft nicht allgemein härter geworden? Durchaus, im Rock- und Popgeschäft, meint Kittnau und beschreibt eine Honorarspirale, die sich ins „Jenseits von Gut und Böse“ bewegt habe. Ein Pavarotti werde pro Abend mit einer Million gehandelt – da sei die Nachfrage, ob in Dollar oder Mark, überflüssig. Auch bei weniger prominenten Musikern seien Garantiesummen von 300000 Mark üblich, und 80 Prozent der Einnahmen greife dann auch noch der Tournee-Veranstalter ab. Kämen dann, wie bei den Bee Gees, „nur“ 16000 Zuschauer in den Ludwigspark, blieben beim örtlichen Veranstalter schnell mal 500000 Mark Miese hängen. Machen aber nicht immer weniger „Big Events“ im Saarland Station, und liegt das nicht auch daran, dass hier eine Mega-Halle fehlt? An diesem Punkt erwischt man den politisch wachen Kittnau, der nichts übrig hat für die Großland-Träume einer Mini-Region. Die 25 Millionen Mark für die einst von der SPD-Landesregierung ins Gespräch gebrachte neue Großhalle auf der Goldenen Bremm hält er für „Wahnsinn“, bezeichnet sie als „AB-Maßnahmen für die Bauwirtschaft“. Denn man sei sogar „überordentlich“ ausgestattet mit Hallen, auch der Standard stimme. Und die Stars kämen nicht etwa deshalb nicht, weil es hier „nur“ die Saarlandhalle mit einer 6500er-Kapazität gebe. Sondern sie blieben vorsorglich weg, weil sie selbst diese Plätze nicht besetzen könnten. Insofern kennt Müller-Kittnau sie nur zu gut, die Schadensbegrenzungs-Maßnahmen bei schlecht verkauften Konzerten, das „Stuhlreihen-Raustragen, um’s voller wirken zu lassen“. Denn merke: Nur in vollen Hallen laufen wirklich gute Konzerte. Ein Berufsrisiko, dass er selbst davon am Abend am wenigsten hat. Weil er als Veranstalter vor Ort mit Problemfindungen beschäftigt sei, mit dem „Es-ist-mir-zu-heiß-ich-seh-nichts“-Kundengespräch. Und glamourös sei der Job auch nicht, ernüchtert Müller-Kittnau die Runde. Die Stars seien abgeschirmt, mit Patricia Kaas habe er noch kein einziges Wort gewechselt, mit Udo Jürgens höchstens mal drei, aber Freddy sei besonders liebenswürdig. Das ist doch was. Nämlich Nebensache. Was wirklich zählt, so sieht es aus, ist König Kunde. CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Hasso Müller-Kittnau

Geboren wurde Hasso Müller-Kittnau am 31.5. 53 in Marburg; er wuchs aber in Saarbrücken auf. Dort wurde er auch Buchhändler, später Leiter der Buchhandlung „Lenchen Demuth“. Während dieser Zeit, organisierte er bereits viele Lesungen und Liederabende. 1988 kam die Gründung der KulTour GmbH, die ihm zu 100 Prozent gehört. Mittlerweile betreibt er zwei Kartenvorverkaufsstellen (unter anderem Tabak Schmitt) und eine Buchhandlung in Saarbrücken. Staatliche Subventionen erhält er keine.